1. Kannst du dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Stephan Hilbrandt. Ich bin 33 Jahre alt und lebe in Bonn. Gebürtig eher aus einer Pilsregion (dem wunderschönen Sauerland) kommend, habe ich inzwischen auch an den rheinischen Bierstilen meine Freude gefunden.
2. Wie bist du Hobbybrauer geworden?
Die vage Idee Bier zuhause zu brauen hatte ich bereits kurz nach dem Abi (und wer kurz oben mein Alter nachschlägt wird feststellen, dass das schon eine Weile her ist 😉). Damals habe ich mir dann bei Ebay eins der wenigen Braubücher, die zu diesem Zeitpunkt verfügbar waren ersteigert, um mich in die Thematik einzulesen. Dabei kam dann insbesondere der Prozess der Spundung wahnsinnig kompliziert rüber. Flaschengärung wurde wegen der Gefahr des Zerplatzens von dem Buch als brandgefährlich beschrieben und alle anderen Methoden erschienen mir erheblich zu kompliziert. So ruhte das Thema dann wieder ein paar Jahre, bis ich 2012 erneut auf eine Website zum Heimbrauen stieß. Das Interesse war neu entfacht und die Literatur inzwischen etwas aktueller. Also probierte ich es aus, war mit dem Ergebnis sehr zufrieden und so wuchs das Hobby dann (wie vermutlich bei den Meisten von uns…).
3. Wie sieht dein privates Brauequipment aus: Vollautomatisiert oder eher Keep-it-simple?
Zum Spaß des Brauens gehört für mich auch zu einem guten Teil der Spaß des Bauens. In sofern habe ich viel DIY-Equipment. Im Herz besteht meine Anlage aus der klassischen 3,5kW Induktionsplatte mit entsprechenden Gefäßen. Rühren tue ich bis heute von Hand, da es für mich einen entspannenden und meditativen Charakter hat. Abgemaischt wird in einen Thermoport mit Läuterblech aus dem in einen kleinen GN-Behälter geläutert und von dort zurück in die Maische-/Sudpfanne gepumpt wird. Die Gärsteuerung übernimmt ein UT300 an einer gebraucht erworbenen Kühltruhe.
4. Du bist amtierender Biersommelier Weltmeister? Wie kam es dazu?
Das weiß ich bis heute selbst nicht so genau 😉. Für die Biersommelier-Ausbildung entschloss ich mich aus reinem Interesse an der Sensorik und meinem großen Interesse für das Feld des Food-Pairings. Aus Neugier und Spaß nahm ich dann knapp über ein Jahr später an der deutschen Meisterschaft der Biersommeliers teil und konnte mich dort für die WM qualifizieren. Wiederum waren es Spaß und Neugier, die mich dazu brachten
auch tatsächlich an der WM teilzunehmen. Mit einigen rheinischen Kollegen trainierten wir dann regelmäßig unsere sensorischen Fähigkeiten. Trotzdem hätte ich es nie erwartet es bis ins Finale schaffen zu können. Als ich für die Finalpräsentation auf die Bühne ging nahm ich mir vor die rund 10 Minuten vor großem Publikum nun einfach zu genießen und Spaß dabei zu haben. Ernsthafte Siegchancen rechnete ich mir ohnehin nicht aus. Vermutlich war es diese Unbefangenheit, die dann dafür sorgte, dass meine Präsentation bei der Jury Anklang fand.
5. Was hat sich mit dem Titelgewinn für dich verändert?
Ich habe wahnsinnig viele nette, spannende, interessante Leute aus der Bierwelt kennenlernen dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar. Auch haben die Anfragen für Tastings und Bierevents natürlich erheblich zugenommen, so dass das Thema schon einen guten Teil meiner Freizeit mit einnimmt. Dabei genieße ich die Zeit aber noch jede Minute, in weniger als einem Jahr ist meine Amtszeit ja dann auch schon vorüber.
6. Findest du noch die Zeit selber zu brauen?
Alleine habe ich dieses Jahr kaum die Zeit dazu gefunden. Aber ein paar Kollaborationssude mit befreundeten Hobbybrauern waren schon drin.
7. Die Summe an Biersommelier nimmt stetig zu. Wie bewertest du diese Entwicklung?
Durchweg positiv. Es ist doch schön, dass sich wieder so viele Leute für das Produkt Bier derart intensiv interessieren, dass sie bereit sind Geld und Zeit dafür aufzubringen mehr über das Thema zu erfahren. Bessere Multiplikatoren kann man sich doch für die Bierkultur in Deutschland kaum wünschen.
8. Wie stellst du dich als Biersommiler auf neue Stile wie NEIPA und Brut IPA ein?
Verkosten, Verkosten, Verkosten. Idealerweise versuchen an die stiltypischen Vertreter heranzukommen. Dann natürlich auch viel darüber lesen, online wie offline. Und nicht zuletzt: Verkosten 😉.
9. Stichwort Qualität: Wie bewertest du als Biersommilier Weltmeister die Qualität von Hobbybrauer Bieren?
Die weit überwiegende Anzahl von Hobbybrauerbieren die ich in meinem Leben verkosten durfte war von beeindruckender Qualität. Viele Hobbybrauer beschäftigen sich wahnsinnig intensiv mit der Thematik, so dass krasse Fehler eher selten sind. Im Gegenteil, viele Hobbybrauer die ich kennenlernen durfte sind sehr kritisch ihrem eigenen Bier gegenüber. In sofern freue ich mich über jedes Hobbybrauerbier dass ich verkosten darf, in der Regel sind es tolle Aushängeschilder für die Vielfalt der Bierwelt.
10. Man trifft dich ab und an auf Bierfestivals. Welche Rollen spielen Festivals für dich?
Nirgendwo hat man in so kurzer Zeit und mit so wenige Aufwand die Gelegenheit so viele verschiedene Biere zu verkosten wie auf Bierfestivals. Noch dazu erlauben viele dieser Festivals ja einen direkten Austausch mit den Brauern, so dass man auch häufig noch viel zu den Ideen hinter den Bieren erfährt. Bierfestivals sind daher für mich insbesondere eine Gelegenheit neue Stile zu probieren (wie z.b. die oben genannten NEIPAs oder Brut IPAs), aber auch ein Gespür für aktuelle Trends in der Bierszene zu entwickeln. Nebenbei trifft man immer wieder bekannte Gesichter und hat es meist mit einer äußerst gelassenen Atmosphäre zu tun, so dass die Festivals mir auch „privat“ großen Spaß machen.
11. Welches deiner eigenen Biere fandest du am besten? Kannst du das Rezept verraten?
Ich mag mein Ingwer Wit. Sehr erfrischend im Sommer.
55% Pilsner Malz
40% Weizenrohfrucht (der Biomarkt des Vertrauens liefert hier die Möglichkeit die harten Körner auch direkt zu schroten)
5% Haferflocken
Einmaischen bei 42°
20 Minuten bei 50°
20 Minuten bei 55°
30 Minuten bei 62°
30 Minuten bei 72°
10 Minuten Läuterruhe bei 78°
18 IBU durch Hopfen der 10 Minuten nach Kochbeginn für dann noch 80 Minuten hinzugegeben wird.
Da er geschmacklich kaum durchkommt, ist die Sorte fast egal, ich tendiere hier gerne zu Hochalpha-Sorten.
Bitterorangenschalen getrocknet: 0,5g/l g für 10 min mitkochen
Indische Koriandersamen 0,5g/l für 5 min mitkochen (wer mag, kann sie vorher in der Pfanne ohne Fett noch etwas anrösten. Gibt ein Bombenaroma…)
Ca. 20g/l frischen Ingwer für 10 Minuten mitkochen.
Vergoren wird das ganze nach Möglichkeit mit der WYeast #3463 (Forbidden Fruit), wenn diese nicht verfügbar ist tut aber auch die #3944 ihren Dienst.
Vielen Dank für deine Antworten!